EIN PRIESTER BERICHTET
Die Aufmerksamkeit für die eigenen Gefühle als Hilfe zum Gespräch: das war nicht gänzlich Neues, aber eine lohnende Erinnerung und eine wertvolle Vertiefung der Priestertage von Marriage Encounter.
„Berufung neu erleben – Von ganzem Herzen Priester sein“ – dieser Titel und die Hoffnung, gute Anregungen für den Kontakt mit Paaren und Familien in der Gemeinde zu bekommen, bewogen mich zur Teilnahme an den Priestertagen.
Ich bin mit einfachen und deshalb leicht handhabbaren, nichtsdestotrotz aber sehr durchdachten Hilfsmitteln ausgestattet worden: der Einteilung von vier „Gefühlsfamilien“ und einer Liste, die hilft, die vielfältigen Nuancen unserer Gefühle ins Wort zu bringen; der Unterscheidung der Gefühle von Gedanken, Meinungen und Urteilen; der Bedeutung wertschätzender Worte und Gedanken; der Differenzierung verschiedener Zuhörertypen.
Das wichtigste Hilfsmittel jedoch ist die Form des Dialogs: Jeder schreibt zunächst auf, was er dem Gegenüber mitteilen möchte; das kann er dann dem Partner vortragen oder zu lesen geben, um dessen Wahrnehmung, Stellungnahme und Reaktion zu hören. Diese Form hilft, die eigenen Gedanken und Gefühle auf den Punkt, aber auch zur Geltung zu bringen; sie hilft zu vermeiden, dass ein Gesprächspartner oder ein Thema zu kurz kommen, weil man sich an einem Punkt festbeißt oder der Gesprächsverlauf die anderen Punkte übergeht, die einer noch gerne benannt hätte.
Zu den überraschenden und beglückenden Erfahrungen dieser Tage zählt, wie sofort eine Vertrautheit und Offenheit entsteht mit Menschen, die ich gerade erst kennengelernt habe. Dazu trägt wesentlich bei, daß die beiden Eheleute und die beiden Priester, die uns durch die Impulse führen, in großer Offenheit über ihre persönlichen Erfahrungen von Stärken und Schwächen, von Freuden und Enttäuschungen sprechen. Das bringt in mir selbst die Saiten zum Klingen und weckt die eigenen Erinnerungen, und es macht Lust, selbst so offen und frei zu sprechen. Und das wird belohnt durch Wertschätzung, Verständnis und den Blick von außen, die ich von den beiden Eheleuten erfahre, mit denen ich durch diese Tage gehe. Wir gewähren einander Einblicke in das Leben und Erleben als Ehepaar und als Priester, mit denen wir einander bereichern und bestärken.
Die Impulse regen mich an, eine Bestandsaufnahme zu machen und Bilanz zu ziehen an dem Punkt, wo ich gerade stehe auf meinem Lebens-, Berufs- und Berufungsweg. Die Erinnerung an den Anfang, die Vergewisserung für die Gegenwart gibt, an Hoffnungen, Erwartungen und Befürchtungen, an Bestätigungen und Enttäuschungen, Ernüchterungen und Überraschungen: all das hilft, mich ehrlicher zu sehen und besser zu verstehen, Gefühle und Entscheidungen, Herz und Kopf miteinander in Verbindung zu bringen.
Ich bekomme aber auch Dialogfragen an die Hand, die mir über die Auszeit dieser Tage hinaus helfen, im Alltag im Gespräch und in der Übung zu bleiben und Dialog zu pflegen. Das bleibt eine Aufgabe, die nicht leicht gelingt ohne Regelmäßigkeit und Verbindlichkeit.
Ein herzliches Dankeschön an Waltraud und Wilfried, an Sieglinde und Peter, an Franz und Ludger sowie an den inzwischen verstorbenen Mitbruder Otto für die Freundschaft dieser Tage!